Deuter der christlichen Existenz

Zum 50. Todestag Romano Guardinis am 1. Oktober 2018 erschienen in der Grünewald-Reihe „Romano Guardini – Quellen und Forschungen“ zwei Aufsatz- und Textbände, die eine gute Einführung in Person und Werk anbieten. Der von Helmut Zenz SDB zusammengestellte Band „Deuter der christlichen Existenz“ versammelt mit Blick auf den 2017 eröffneten Seligsprechungsprozess unmittelbar nach dem Tode Guardinis verfasste Nachrufe, Erinnerungen und Würdigungen, um seine „fama mortalis“ nachzuzeichnen.

Der vom Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann und dem Direktor des Mainzer Erbacher Hofes Peter Reifenberg herausgegebene Aufsatzband möchte aus verschiedenen Perspektiven unter dem guardinischem Leitwort „In allem tritt Gott uns entgegen“ in den Kern seiner Botschaft und vor allem sein Hauptwerk „Der Herr“ (Würzburg 1937) einführen.

Den Beginn macht ein biografischer Aufsatz von Karl Kardinal Lehmann (1936-2018) über „Romano Guardini und Mainz“, den er kurz vor seinem Tod publizierte und der sehr persönlich gehalten ist. Von Bischof Karl-Heinz Wiesemann, der auch über Guardini promovierte, folgt ein sehr einfühlsamer Essay aus dem Jahr 1999 über Guardini als „Grenzgänger und Schwellengestalt“ (27-36). Der Moraltheologe Peter Schallenberg (Paderborn) widmet sich dem intellektuellen Spannungsbogen zwischen Romano Guardini und Joseph Ratzinger unter den Leitbegriffen Logos, Ethik, Liturgie und Liebe mit Blick auf Verwandlung, Bekehrung und Neuschöpfung. Jean Greisch (Paris), 2009-2012 Inhaber der Berliner Guardini-Professur, sieht Verbindungen zwischen Guardinis „Der Herr“ und der Phänomenologie des Franzosen Michel Henry (1922-2002). Beide unterstreichen augustinisch die Notwendigkeit, sich durch Christus auf eine „Bekehrung des Denkens, nicht nur des Wollens und Tuns“ (52; Der Herr, 650) einzulassen. Auch der Vergleich mit Buddha und Sokrates kommt zur Sprache. Beide Denker und Autoren eint, „vom anderen betroffen sein/ von Gott betroffen sein, selbst im Schweigen, selbst dort, wo uns die Worte fehlen“ (70).

Ebenfalls zu „Der Herr“ äußern sich dann in ihren Beiträgen der Neutestamentler Marius Reiser (Mainz) exegetisch, die Guardini-Spezialistin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz (Dresden) ideologiekritisch und der Zisterzienser P. Kosmas Lars Thielmann OCist (Heiligenkreuz) spirituell-mystagogisch. Akademiedirektor Peter Reifenberg (Manz) beschließt den Band mit einem präzisen Blick auf Romano Guardinis „Theologische Gebete“, sieht in ihnen Nähen zu Karl Rahner und vor allem zu einer „Theologie des Herzens“ („theologia cordis“), die ein Gesamtmotiv von Guardinis Werk bildet.

Allen, die sich für den großen Glaubenden, dessen Schriften auch im 21. Jahrhundert Wege weisen können, interessieren, kann dieser Aufsatzband des Erbacher Hofes „ans Herz gelegt“ sein.

Stefan Hartmann

Zenz, Helmut / Maier, Hans (Hgg): Deuter der christlichen Existenz. Nachrufe, Erinnerungen, Würdigungen, Romano Guardini zum 50. Todestag, Matthias Grünewald Verlag 2018, 164 Seiten, (= Romano Guardini – Quellen und Forschungen Band 2), € 28,- ISBN: 978-3786731689

Wiesemann, Karl-Heinz / Reifenberg, Peter (Hg.): „In allem tritt Gott uns entgegen“. Zum 50. Todestag von Romano Guardini, Ostfildern 2018, 144 Seiten, € 22,- ISBN 978-3786731702

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