Kompendium zur christlichen Vollkommenheit
Weihnachten, das Fest der Fleischwerdung Gottes, lässt den Menschen alljährlich etwas Außerordentliches und Transzendentes wahrnehmen, etwas, das zum Herzen spricht, aber auch auf Antwort wartet, so Papst Benedikt XVI. während einer Generalaudienz am 17. Dezember 2008. Zehn Jahre später schenkte Papst Franziskus der Römische Kurie einen Klassiker der geistlichen Literatur, dessen kostengünstigen Nachdruck im Sarto-Verlag besorgt wurde. „Man lese nicht alles in einem Zug durch, sondern suche im Inhaltsverzeichnis nach einzelnen Themen: diese Tugend, jene Haltung oder eine andere Sache. Es wird gut tun für die innere Reform eines jeden von uns und für die Reform der Kirche“, so Papst Franziskus.

Dieses Kompendium des geistlichen Lebens hat seit seinem Erscheinen viel begeisterte Zustimmung erfahren und ist in zahlreiche Sprachen übersetzt worden. Die hier vorliegende Übersetzung ins Deutsche erschien erstmals 1935. In leicht verständlicher, aber trotzdem wissenschaftlicher Weise werden die Grundsätze des übernatürlichen Lebens sowie der Aufstieg der Seele zu Gott gemäß den drei Wegen der Reinigung, Erleuchtung und Vereinigung behandelt. Dabei bleiben die Darlegungen nicht rein theoretisch, sondern geben auch praktische Anweisungen und Warnungen vor Gefahren für das geistliche Leben. Dieses Buch ist nicht nur Priestern und Ordensleuten, sondern auch Laien, die eine Sehnsucht nach der christlichen Vollkommenheit haben, ein hilfreicher Wegweiser.
Aus dem Vorwort zur sechsten Auflage:
Wie der Titel besagt, sind diese kurzen Ausführungen ein Auszug, der eingehenderen und tiefschürfenderen Studien als Rahmen dienen könnte. Um jedoch die Trockenheit einer so knapp gefassten Darbietung zu vermeiden, haben wir es uns angelegen sein lassen, neben geeigneten zur Frömmigkeit anregenden Erwägungen jene Punkte weiter auszuführen, die wesentlich zur Gestaltung des inneren Lebens beitragen. Solche sind das Einwohnen des Hl. Geistes in der Seele, unsere Einverleibung in Christus, der Anteil der Gottesmutter an unserer Heiligung, das Wesen der Vollkommenheit und die Notwendigkeit, danach zu streben. Dasselbe gilt beim Betreten der drei Wege. Was die Seelen zum Vertrauen, zur Liebe und zur Übung der Tugenden führen kann, bei dem verweilen wir länger.
Da das Dogma nach unserer Überzeugung die Grundlage der aszetischen Theologie bildet und die Darlegung von dem, was Gott für uns getan hat und noch unaufhörlich tut, bei uns der wirksamste Antrieb zur wahren Frömmigkeit ist, waren wir darauf bedacht, kurz an die Glaubenswahrheiten zu erinnern, auf die sich das innere Leben gründet. Unsere Abhandlung ist also zunächst belehrend und darauf angelegt, zu zeigen, dass die christliche Vollkommenheit logisch aus unseren Dogmen, besonders aus dem Zentraldogma der Menschwerdung, sich ergibt. Sie ist aber gleichzeitig auch von praktischem Werte, denn nichts ist so geeignet, zu stärken und zu beharrlichen Anstrengungen zu befähigen, welche die eigene Besserung und die Tugenden erfordern, als ein erleuchteter und lebendiger Glaube. Daher sind wir schon im ersten Teile bemüht, aus unsern Dogmen die daraus sich von selbst ergebenden praktischen Schlussfolgerungen zu ziehen, die allgemeinen Mittel zur Vollkommenheit daraus herzuleiten und unsere Leser anzuregen, das in die Tat umzusetzen, was sie aufmerksam gelesen haben, „Estote factores verbi et non auditores tantum.“
Im zweiten, außerordentlich praktischen Teile werden wir ebenso unsere Folgerungen auf die im ersten Teile dargelegten Dogmen stützen, besonders auf unsere Einverleibung in Christus und das Wohnen des Hl. Geistes in uns. Die Reinigung der Seele vollzieht sich auf vollkommene Weise nur dadurch, dass wir demjenigen einverleibt werden, der die Quelle aller Reinheit ist. Die positive Übung der christlichen Tugenden ist nie leichter als wenn wir denjenigen in uns hinabziehen, der sie in ihrer Fülle besitzt und so sehnlich wünscht, sie uns mitzuteilen. Was die innige und gewohnheitsmässige Vereinigung mit Gott angeht, so wird diese sich nur dann ganz verwirklichen, wenn sie unter dem Auge und der Leitung der in uns wohnenden heiligsten Dreifaltigkeit sich vollzieht. So wird unser Fortschritt in den drei großen Abstufungen des geistlichen Lebens d. h. unsere allmähliche Einverleibung in Christus und unsere immer mehr sich vervollständigende Zugehörigkeit zum Geiste, dem Heiligmacher gekennzeichnet werden.
Diese enge Verbindung mit dem menschgewordenen Worte und seinem göttlichen Geiste schließt eine sehr tätige Aszese nicht aus, setzt sie vielmehr voraus. Der hl. Paulus, der unsere Einverleibung in Christus und unsere Verbindung mit Gott so herrlich beleuchtet hat, betont nichtsdestoweniger die Notwendigkeit des Kampfes gegen die Neigungen des alten Menschen, gegen die Welt und die Geister der Finsternis. Ebendeshalb haben wir bei der Behandlung der drei Wege oft vom geistlichen Kampfe gesprochen, von energischen Anstrengungen, von Abtötung, Versuchungen, Niederlagen, Erhebungen, nicht nur für Anfänger, sondern auch für fortgeschrittene Seelen. Man muss immer der Wirklichkeit Rechnung tragen, daher bei Besprechung der innigen Vereinigung mit Gott und dem Frieden, der daraus hervorgeht, daran erinnern, wie die hl. Therese es tut, dass der geistliche Kampf erst mit dem Tode aufhöre.
Aber dieser unaufhörliche Kampf, dieser Wechsel von Tröstungen und Prüfungen, hat nichts Furchtbares für die großmütigen Seelen, die in der Stille benso wie im Sturme immer mit Gott vereint sind. Wir schreiben besonders für Seminaristen und Priester aber wir hoffen, dass das Buch auch den religiösen Genossenschaften von Nutzen sein wird, ebenso wie zahlreichen Laien, die das innere Leben pflegen, um das Apostolat desto wirksamer auszuüben. Vor allem werden wir die sicheren oder allgemein angenommenen Lehren darlegen, den strittigen Fragen nur sehr beschränkten Raum schenken. Ohne Zweifel gibt es im geistlichen Leben viele Methoden. Die besonnensten Vertreter derselben stimmen in dem, was für die Seelenleitung wirklich von Bedeutung ist, überein.
Dieses allgemein Angenommene ist es, was wir darlegen wollen. Wir werden versuchen, es in möglichst logischer und psychologischer Folge zu tun. Hie und da werden wir freilich eine gewisse Vorliebe für die Geistesrichtung der französischen Schule des 17. Jahrhunderts zeigen, die sich auf den Lehren eines hl. Paulus und eines hl. Johannes aufbaut und so ganz mit der klassischen Lehre des hl. Thomas übereinstimmt. Wir erklären jedoch in aller Offenheit, dass wir voller Hochschätzung für die anderen Schulen sind und dass wir vieles ihnen zu entlehnen gedenken. Im übrigen werden wir darauf mehr bedacht sein, das sie Verbindende als das sie Trennende hervortreten zu lassen.
Verlagsmeldung
Tanquerey, Adolphe: Grundriss der aszetischen und mystischen Theologie. Sarto Verlagsbuchhandlung 2020, Unveränderter Nachdruck der Ausgabe Paris 1935, 1104 Seiten, € 29,- ISBN: 978-3964060303

