• Einheit und Reform in römischer Sicht

    Römische Begegnungen“ – unter diesem Titel erwartet man vielleicht plauderhafte Schilderungen des unfreiwillig emeritierten ehemaligen Präfekten der Glaubenskongregation (2012-2017). Es ist jedoch ein kunstvoll komponiertes, dichtes Grundsatzwerk, das an die Form der platonischen Dialoge anknüpft und allen Gedanken um Einheit und Reform der Kirche eine überschaubare Struktur gibt. Müller spricht von sich in der dritten Person als „der (römische) Kardinal“ und lässt verschiedene Protagonisten auftreten, um seinen klaren Gedanken und auch den verunklärenden Gedanken anderer ein Forum zu bieten. Nach einer Grundsatzbetrachtung „Alle Wege führen nach Rom“ führt der Weg zu einem Frühlingsempfang in der schönen deutschen Botschaft, wo Müller in verschiedenen „Stuhlkreisen“ u.a. Bischöfe, progressive und traditionalistische Theologieprofessoren, eine…

  • Die Lunte am Pulverfass der Gesellschaft

    Bereits 2016 betonte Francis Fukuyama das grundsätzliche Problem modern-liberaler Demokratien: Sie bieten zwar wirtschaftlichen Erfolg sowie Sicherheit, stiften aber weder Stolz noch Gemeinschaft oder Identität. Religionen und Ethnien vermögen, diese Facetten viel stärker hervorzubringen und bilden zudem weltanschauliche Alternativen, erfüllen das tiefe Bedürfnis des Menschen. Als Politologe konstatierte er 1992 in seinem Erfolgstitel das „Ende der Geschichte“ die Erwartung, mit dem Scheitern beider totalitärer Regime, dem Zusammenbruch des sowjetischen Systems und dem Sieg demokratischer Strukturen sei ein neues, von dialektischen Widersprüchen erlöstes,Endkapitel der Weltgeschichte angebrochen. Jedoch zwang der schlagartige Zusammenbruch dieser These nach dem 11. September 2001 den renommierten Stanforder Professor zur Kurskorrektur. Fortan steuern identitätszentrierte politische Handlungen, die Wut…