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Lebenswelt der Zisterzienser
Im November 2007 kamen Forscher unterschiedlicher Disziplinen unter dem Titel „Aktuelle Wege der Cistercienserforschung“ in Stift Heiligenkreuz zusammen. Anlass war die Gründung des Europainstituts für cisterciensische Geschichte, Liturgie und Spiritualität (EUCist) an der Hochschule Benedikt XVI., das sich auf die Fahnen geschrieben hat, „die Kräfte interessierter Cistercienserforscher und -forscherinnen aus allen Teilen der Cistercienserfamilie [zu] bündeln und die vielen Initiativen, die sich bereits mit den Zisterziensern beschäftigen [, zu] integrieren und koordinieren“ (Homepage). Geradezu musterhaft findet sich dieses programmatische Ansinnen in dem gewichtigen hier zu rezensierenden Werk umgesetzt. Unter dem Titel „Die Lebenswelt der Zisterzienser. Neue Studien zur Geschichte eines europäischen Ordens“ sammelt der Herausgeber Joachim Werz sage und schreibe…
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Licht-gewordenes-Geheimnis
Das Interesse am „Turiner Grabtuch“ ist und bleibt virulent. Von keiner anderen „mutmaßlichen“ Herrenreliquie ging und geht eine derartige Faszination aus. Die Literatur dazu ist breit, besonders Paul Badde (Rom) hat mehrere Bücher dem Turiner Grabtuch und dem Seidentuch von Manopello gewidmet. Einer persönlichen spirituellen Anrufung folgend haben nun die Hofer katholische Autorin Barbara Stühlmeyer und der Bamberger Alterzbischof Karl Braun sich umfassend der Thematik des Grabtuches, aber auch grundsätzlich der Verehrung des Antlitzes Jesu und seiner Ikonen gewidmet. Dabei geht es um einen „spirituellen Türöffner“ (62) für ein Anliegen von Papst Benedikt XVI.: „Wollen wir wirklich das Antlitz Gottes erkennen, haben wir nichts anderes zu tun, als das Antlitz…
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Topographie der Erinnerung
Die Geschichte der Stadt Wien ist untrennbar mit der jüdischen Kulturgeschichte verbunden, verdankt sie doch ihre Entwicklung zur prosperierenden „mitteleuropäischen Metropole“ auch den geistigen und wirtschaftlichen Leistungen ihrer jüdischen Mitbürger: den Künstlern, Intellektuellen, Wissenschaftler und Bankiers. Die Donaumetropole galt im Übergang vom 19. ins 20. Jahrhundert als blühendes Zentrum jüdischer Kultur, jedoch dezimierte der Naziterror des Zweiten Weltkrieges die jüdische Bevölkerung auf einen heiligen Rest: von 200.000 (1923) auf knapp 7.000 (2001) Juden und Jüdinnen, die heute in Österreichs Bundeshauptstadt leben. Der Zivilisationsbruch verschlang neben ihrem Leben oftmals auch ihre Spuren. So fehlt von den einhundert Synagogen und Bethäusern Wiens bis auf den „Stadttempel“ jede Spur. Dieser überlebte das Feuerinferno…
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Das Warm-up der Französischen Revolution
Während des brütend heißen Julimonats 1789 erreichten die Temperaturen im Treibhaus des Ancien Régimes ihren historischen Siedepunkt. Unter den Sonnenstrahlen des Königs reifte unweigerlich der aufklärerische Nektar. Indes ein Souverän in Versailles der Hirschjagd frönte, rottete sich kurz vor den Iden des Juli eine Herde aufgebrachter Pariser zusammen, um Tore und Ketten des Staatsgefängnisses zu sprengen. Mit diesen Gedanken intoniert Éric Vuillard seine poetische Nacherzählung, die den Namenlosen in den Fokus der Aufmerksamkeit rückt. Es sind die kleinen Kaufleute und Handwerker, die Bürger, Studenten, Arme und Räuber, die zwischen den Zinnen der Bastille hervorstechen. In einer lyrischen Namensparade lässt Vuillard die 871 „Sieger“ und 98 Toten der Bastille vom Tode…
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Verfolgung und gegenseitige Hilfe
Die Geschichte des jüdischen Volkes ist eng mit dem geistigen Schicksal Europas verbunden. Allein der Zivilisationsbruch des Zweiten Weltkriegs offenbart die Abgründe des Willens, den Triumph des Grauens. Der renommierte Historiker Jacques Sémelin schreibt mit der vorliegenden Forschungsarbeit ein neues Blatt Rezeptionsgeschichte der Shoah. Mit seiner These des „zivilen Rettungswiderstandes“ sorgte Sémelin für Aufsehen. Nicht Flucht, sondern die vielfältige Hilfe nichtjüdischer französischer Zivilbevölkerung verhalf dazu, dass trotz deutscher Besatzung drei von vier Juden in Frankreich den Holocaust überlebten. In Zahlen: mehr als 200.000 Juden überlebten eine vierjährige Verfolgungszeit im militärisch eroberten Frankreich Nazi-Deutschlands, der höchste Anteil in allen besetzten Gebieten. Vier Jahre vor der französischen Erstveröffentlichung versuchte Quentin Tarantino das…
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Was hat das Christentum Gutes gebracht?
Mit seinem Epochenwerk „Toleranz und Gewalt“ setzte Arnold Angenendt im Jahr 2007 unkonventionelle Ansätze für eine neue Rezeption der Geschichte des Christentums. Ausgehend vom gewaltigen Vorwurf Jan Assmanns, zwischen Monotheismus und Gewalt bestünde eine katalysatorische Affinität, analysiert der Kirchenhistoriker Angenendt dieses Theorem und vermochte entscheidende Teile zu falsifizieren, indem er u.a. Ansätze der französischen Annales-Schule in die deutsche Kirchengeschichtsschreibung integrierte. Trotz geschichtlicher Gewaltausbrüche trage das Christentum den Keim der Toleranz durch die Epoche, eine „uhrwerksartige Unruhe, die zur Freiheit drängt“ (Peter Blickle). Der vorliegende Band destilliert auf Handbuchniveau das instrumentum pacis christianorum, das Weizen-Unkraut-Gleichnis, als Leitmotiv kirchlicher Rechtsauffassung in den jeweiligen Epochen. Auf Basis der konkretisierenden Exegese Jesu oktroyiert diese…
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Mehr Mentalität als Religion
Das Reformationsgedenkjahr 2017 ist längst vergangen, der Markt ist mit Biographien über Martin Luther regelrecht überschwemmt. Der Name Volker Reinhardt ist dem Kunsthistoriker und Historiker ein Begriff: er hat Publikationen zu seinem engeren Forschungsgebiet, der italienischen Renaissance, vorgelegt, und das in großer Zahl. Aber auch eine Papstgeschichte sowie Monographien zur Geschichte des barocken Rom, eine Geschichte der Stadt Rom im allgemeinen, eine Geschichte Siziliens, Italiens im allgemeinen, sowie der Schweiz, aber auch ein Werk über Leben und Werk des Marquis de Sade stammen aus seiner Feder. So läuft diese im Vorfeld des Reformationsgedenkens publizierte Darstellung Gefahr, im produktiven Fleiß seines Verfassers, seines Zeichens Professor für Allgemeine und Schweizer Geschichte der…
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Eine Welt zwar bist du, o Rom …
Das vorliegende Buch ist die Neuauflage einer im Jahre 1916 publizierten Abhandlung. Sie nimmt sich in Fragestellung und Methodik erstaunlich modern aus: stehen doch seit dem „spatial turn“ der Geistes- und Kulturwissenschaften Studien zur Urbanistik und Untersuchungen zum Geflecht von städtischen Lebenswelten und Sozialgefügen und ihr architektonisches und bildkünstlerisches Gepräge (jenseits einer Kunstgeschichtsschreibung, die „Meisterwerke“ eines genialen Künstlers losgelöst von ihrem sozialen und auftraggeberischen Kontext betrachtet) relativ hoch im Kurs. Ludwig von Pastor, der dezidiert katholische Verfasser der berühmten Papstgeschichte als Antwort auf die preußisch-protestantische Historie eines Leopold von Ranke, hat mit seinem schmalen Werk „Die Stadt Rom zu Ende der Renaissance“ eine faszinierende Beschreibung der Ewigen Stadt aus dieser…
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Schicksalsjahre im roten Talar
Die Tagebuchaufzeichnungen des Johannes Olav Fallize gewähren persönliche Einblicke in die römische Umbruchszeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts (1866-1871). Als späterer Bischof von Norwegen, der erste seit der Reformation, durchlebte der luxemburgische Seminarist am „Collegium Germanicum et Hungaricum“ den letzten Frühling des Kirchenstaates, das Verblühen der altrömischen Prachtenfaltung, die Streifzüge der Garibaldiner, das Erste Vaticanum mit den leidenschaftlichen Debatten über die Infallibilität sowie die Kapitulation der Ewigen Stadt. Der Edition liegen die originalen deutschsprachigen Texte und zudem ein vorzüglicher kritischer Apparat zu Grunde, worin relevante Personen-, Lebens- und Hintergrundinformationen angeführt sowie falsche Angaben Fallizes berichtigt werden. Allein das Ausscheiden Julius (Gyula) Graf von Andrássy aus dem Ministeramt des Auswärtigen im Jahr…