• Der letzte Feind des globalen Fortschritts?

    Giuseppe Gracia begibt sich als katholischer Romancier immer mehr in die verheißungsvolle Nachfolge von Graham Green. In seinem sechsten Roman spielt erstmals die römisch-katholische Kirche eine führende Rolle. Dabei zeichnet der Pressesprecher des Bistums Chur in thrillerartiger Façon, jedoch mit mehr Wahrheitsgehalt und Substanz als der Feder Dan Browns je entspringen könnte, sowohl futuristische Episoden als auch eine zeitgenössisch-kritische Gesellschaftsanalyse: Die global agierende und christophobe NGO „Humanitarian Foundation“ versucht, Weltpolitik im Gleichschritt ihres utpoischen Rhythmus vorzugeben. Ziel ist nichts weniger als die Konstruierung eines neuen babylonischen Turms im digitalen Ausmaß. Um dessen Fundamente zu setzen, müssen die Architekten der neuen Menschheit zuvor den anstößigen Eckstein der Erbsünde beseitigen. Allein der…

  • Titelbild Eric Vullard - 14. Juli

    Das Warm-up der Französischen Revolution

    Während des brütend heißen Julimonats 1789 erreichten die Temperaturen im Treibhaus des Ancien Régimes ihren historischen Siedepunkt. Unter den Sonnenstrahlen des Königs reifte unweigerlich der aufklärerische Nektar. Indes ein Souverän in Versailles der Hirschjagd frönte, rottete sich kurz vor den Iden des Juli eine Herde aufgebrachter Pariser zusammen, um Tore und Ketten des Staatsgefängnisses zu sprengen. Mit diesen Gedanken intoniert Éric Vuillard seine poetische Nacherzählung, die den Namenlosen in den Fokus der Aufmerksamkeit rückt. Es sind die kleinen Kaufleute und Handwerker, die Bürger, Studenten, Arme und Räuber, die zwischen den Zinnen der Bastille hervorstechen. In einer lyrischen Namensparade lässt Vuillard die 871 „Sieger“ und 98 Toten der Bastille vom Tode…

  • Grübeln in den Gräbern

    Robert Seethaler entrückt den Leser mit seinem jüngsten Roman in eine stumme Welt, die von der Wahrheit des Lebens Zeugnis gibt. Lüge hat hier keinen Platz mehr. Womöglich wiegen Seethalers Worte in ihrer „unsentimentalen Einfachheit“ (Elke Heidenreich) deswegen auch so schwer. „Das Feld“ handelt von den letzten Dingen, von Gedanken, Emotionen, Hoffnung, Liebe, ein wenig Glauben und der Annahme, dass die Toten im Jenseits lebendig sind. Der österreichische Schriftsteller schenkt ihnen am Gräberfeld ihre Stimme zurück, sodass die Totgeglaubten wieder zum Leben erwachen. In ihrer je persönlichen Eigentümlichkeit und Sprache versammeln sich 29 Einwohner einer fiktiven Provinzstadt am Feld der Jenseitigkeit. Während der Lektüre verweben sich die Kurzgeschichten zu einem…