Eine geistliche Perle des 21. Jahrhunderts
Der von Hans Urs von Balthasar begründete kleine Johannes Verlag Einsiedeln mit Sitz in Freiburg hat nach mehreren Veröffentlichungen des herausragenden orthodoxen Theologen Alexander Schmemann (1921-1983), der als offizieller Beobachter am Zweiten Vatikanum teilnahm, nun einige seiner Radioansprachen für „Radio Liberty“, das in Zeiten des Kommunismus Christen im Ostblock zu erreichen versuchte, in einem schmalen Bändchen veröffentlicht. Es handelt sich um einen Kommentar zum in der Ostkirche verbreiteten kurzen „Gebet Ephräms des Syrers“, das in der Fastenzeit mehrmals täglich gesprochen wird. In ihm geht es wörtlich um Befreiung „vom Geist des Müßiggangs, des Überdrusses, der Herrschsucht und des hohlen Geredes“, um „dem Geist der Keuschheit, der demütigen Weisheit, der Geduld und der Liebe“ (33) Raum zu geben.

Schmemann stellt in seiner Ansprache diese Bitten in einen geistlichen und gesellschaftlichen Zusammenhang. Stalinismus steht für Herrschsucht, Medienflut für leeres Gerede. Keuschheit ist im russischen Wortsinn der reine Sinn für das Ganze, gestützt durch Weisheit und Geduld. Das Liebesgebot auch gegenüber Feinden ist nur erfüllbar durch die Gabe der Liebe von Gott, die in der Liturgie präsent wird (60-67). Dem Büchlein, dessen Frontispiz Rembrandts „Hieronymus im Gebet“ zeigt, vorangestellt ist eine längere Einführung des slowenischen Theologen und Balthasar-Kenners Anton Štrukelj, die mit einer Katechese Papst Benedikts XVI. von 2007 die Gesamtgestalt des großen syrischen Kirchenlehrers, der mit seinen Hymnen als “Harfe des Heiligen Geistes“ bezeichnet wurde, aufleuchten lässt. Das kurze Fastengebet des heiligen Ephräm „bereichert den Gebetsschatz der Kirche um eine kostbare Perle“, Schmemanns Auslegung stellt es in den Kontext der Gegenwart und „ruft zu ökumenischen Bestrebungen auf“ (31). Auch außerhalb der Fastenzeit lohnt die betende Lektüre, die zu den großen Hymnen hinführen kann.
Stefan Hartmann
Schmemann Alexander: Das Gebet Ephräms des Syrers. Mit einer Einführung von Anton Štrukelj, Johannes Verlag 2019, 71 Seiten, € 10,- ISBN: ISBN 978-3894114480

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