Karl Barth und Maria
Mit seiner Grazer Dissertation über die Gestalt Marias bei Karl Barth hat der kroatische Karmelit Ivan Podgorelc einen bisher vermissten Forschungsbeitrag zur Theologie Karl Barths und seiner Mariologie, bzw. Mariologiekritik, vorgelegt. Nicht nur wird das ganze diesbezügliche Schrifttum Barths dargestellt und analysiert, sondern auch die breite Rezeption seiner Marienrede. Dabei sticht bei Barth sowohl die orthodoxe Betonung der Jungfrauengeburt als „Wunder der Weihnacht“ hervor, als auch die oft polemische Kritik der Mariologie als „Wucherung“ oder „morsches Gebilde“. Podgorelec weist nach, dass diese beiden Eckpfeiler differenziert in ihrer Entwicklung zu sehen sind. Das Bekenntnis zur Jungfrauengeburt ist bei Barth nicht nur christologisch zu verstehen, sondern auch als eine protestantische Absage an jede menschliche Mitwirkung sogar des marianischen „Fiat“ zu sehen. Obwohl er die virginitas in et post partum und die Erbsündelosigkeit Mariens weiter ablehnte, war zunehmend ausgrenzende Polemik nicht sein letztes Wort zur Mariologie. Auch die Ablehnung der analogia entis hat sich ja in der “Kirchlichen Dogmatik“ nicht durchgehalten.

Die Arbeit ist in vier Teile gegliedert. Zuerst wird streng textorientiert Barths Rede über Maria und die Mariologie in der Gesamtausgabe seiner Werke behandelt: in den Predigten, den akademischen Werken, den Vorträgen und kleineren Arbeiten, den „Gesprächen“ und persönlichen wie offenen „Briefen“ (25-138). Ein zweiter Teil widmet sich der Marienrede und Mariologie, bzw. der Mariologiekritik, in der großen „Kirchlichen Dogmatik“, in den Schriften zum Credo, in der „Dogmatik im Grundriss“ und in der Schrift „Ad Limina Apostolorum“ (Zürich 1967) mit dem bekannten „Brief in Sachen Mariologie“ an den katholischen Theologen Peter Lengsfeld (139-228). So minutiös und subtil wie bei der Erfassung des Textbestandes widmet sich der Autor im dritten Teil (229-362) der internationalen Rezeption von Barths Marienrede bei protestantischen (O. Weber, E. Schimmelpfennig, G. C. Berkouwer, G. Miegge, W. Delius, W. P. Jones, W .Pannenberg, H. Zahrnt, L. G. Tait, U. Wickert, M. Bieler, P. S. Fiddes, H. Grass, M. Heymel, T. Perry), orthodoxen (A. Louth) und katholischen (H. Rahner, H. Volk, J. Hamer, H. Graef, H. M. Köster, A. Brandenburg, Th. A. O’Meara, K. Riesenhuber, F. Courth, O. Walch, A. Dittrich, K.-H. Menke) Autoren. Besonders intensiv setzt Podgorelec sich mit M. Heymel (274-287) und dem Jesuiten K. Riesenhuber auseinander (333-352), bei denen die konfessionellen Positionen nicht mehr klar erkennbar sind.
Im vierten Teil (363-435) bietet der Autor als Zusammenfassung, Schlussbetrachtung und Ergebnis eine „Theologische Analyse von Karl Barths Marienrede“ (366), zeichnet die „Gestalt Mariens im Heilsplan Gottes“ (419ff) und schildert abschließend die „Entwicklung und Wandlung in Barths Marienrede“ (428-435). Immer wieder (17; 226; 429; 434) betont der Autor eine von Barths Nachfolger Hugo Ott überlieferte mündliche Mitteilung. Zwei Tage vor seinem Tod, am katholischen Marienfest des 8. Dezember, habe Barth eine katholische Radiopredigt über Maria gehört und dem Prediger dankend ausrichten lassen, „man habe wohl diese ganze Frage der Mariologie theologisch doch noch nicht aufgearbeitet und man müsse sie auch evangelischerseits noch einmal von Anfang an durchdenken“ (434). Den Anlass dafür sieht Podgorelec nicht in einem nachkonziliaren marianischen Minimalismus, sondern darin, dass Barth am Ende seines Lebens seine ganze Ablehnung der Mariologie in Frage stellt: „Dieser kleine Satz ist sozusagen Barths Revision, die Relativierung seiner eigenen Mariologiekritik und, wenn wir das auf den Punkt bringen wollen, die Zurücknahme seiner ganzen Mariologiekritik“ (435). Das ist jedenfalls eine auch ökumenisch spannende These für das von evangelischen Kirchen ausgerufene „Karl-Barth-Jahr 2019“.
Stefan Hartmann
Podgorelec, Ivan: Marienrede, nicht Mariologie. Die Gestalt Marias bei Karl Barth, Geleitwort von Bernhard Körner, Friedrich Pustet 2017, 448 Seiten, € 40-, ISBN: 9783791728834 (=Mariologische Studien 26)

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Erstabdruck in: Forum Katholische Theologie“, 35. Jahrgang, Heft 1/2019, S. 79f

