Mit Gott zur wahren Freiheit

„In einer Zeit universeller Täuschung ist das Aussprechen der Wahrheit ein revolutionärer Akt!“

Mit diesem Orwell‘schen Diktum könnte ein Buch beschrieben werden, das schonungslos die gegenwärtigen kirchlichen und sozio-politischen Strömungen analysiert. Den vielen diplomatischen und theologischen Verbindungen des Autors verdanken wir einerseits die spirituelle, andererseits die gesellschaftliche Ebene dieses Werkes. Werner Münch konnte als emeritierter Rektor und Präsident aller kirchlichen Hochschulen Deutschlands, als aktiver Politiker auf Bundes- und Europaebene jahrelang Eindrücke aus erster Hand gewinnen.

14 strukturierte und zum Großteil mit Quellenangaben versehene Artikel wollen den Leser zum Fragen und Nachdenken animieren. Dabei versucht Münch, im Gefolge von Benedikt XVI., den Begriff des „Naturrechts“ vom Staub der Geschichte zu befreien. Vor allem die Präambel der Deutschen Verfassung, mit ihrer Verantwortung Gott gegenüber, demonstriert dabei die Relevanz und Tragweite eines radikal entkoppelten Rechtspositivismus. Hat doch die Verfinsterung des Göttlichen immer auch die Erniedrigung des Menschen bedeutet (Kardinal Sarah). Bevor der Autor auf die Verdrängung Gottes zugunsten eines libidinösen Hedonismus eingeht, apostrophiert er die Grundpfeiler des europäischen Abendlandes. Immer wieder kommt dabei die päpstliche Tiras Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus mit ihrer spezifischen Ausprägung selbst zu Wort.

Gegen die „Gottvergessenheit“ (Bischof Oster), die Moral als Kerker für den Menschen stigmatisiert, gilt es die Spirale des Schweigens zu durchbrechen, wiegt doch Guardinis Satz wie Salz in den Wunden: „Wenn Gott seinen Ort in der Welt verliert, verliert ihn auch der Mensch.“ Just in diese Kerbe schlägt die Ideologie der Pseudofreiheit mit all ihren gesellschaftlichen Ausformungen von Abtreibung als Menschenrecht bis Zwangszölibats-Ende. Nicht allein Politik und Kirche gilt es daher kritisch zu betrachten, sondern auch mediale Berichterstattungen, die ihre Wächterrolle mit einer Richterrolle vertauscht hat.

Der vormalige Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt versteht es, den Finger in die offene Wunde zu legen oder besser, zuerst das kaschierende Pflaster mit einem Ruck zu lösen, wenn er aufzeigt, dass bereits Kleinkinder die Pseudowissenschaft der Gender-Ideologie und die sexuelle Vielfalt mit dem Suppenschöpfer serviert bekommen. Auch seine positive Einstellung zum Lebensschutz soll Erwähnung finden: „Der Mensch muss erst einen Test (PID) bestehen, bevor er zu Welt kommen darf.“ Kritisch aktuelle Miszellen zur Anti-Subsidiaritäts-Politik der EU, zum Paradigmenwechsel in Ehe und Familie sowie im Hinblick auf Flüchtlingspolitik und Islam beschließen einen Band, der, wie im Vorwort angekündigt, partielle Wiederholungen aufweist.

Dem Autor ist die Begriffsschärfung von zeitgenössischen Problemfeldern in einer Sprache gelungen, die keinerlei philosophische oder theologische Vorkenntnisse abverlangt. Wenn auch andere die Büchse der Pandora geöffnet haben, fragt sich der Leser am Ende: „Was soll wir tun?“ Das abschließende Kapitel mit dem Hinweis auf Augustinus und die Zusage Jesu Christ, immer bei seiner Herde zu bleiben, versuchen darauf eine erste Antwort zu geben.

Stefan Bergmann

Münch, Werner: Freiheit ohne Gott. Kirche und Politik in der Verantwortung, Media Maria Verlag 2017, 174 Seiten, € 16,95 ISBN: 978-3-945401-38-5

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