Eine dichte Wolke voller Zeugen
Die ersehnte Erneuerung der Kirche, deren Kleid und Antlitz im Offenbarwerden von Missbrauchsfällen zuletzt beschmutzt wurde, bedarf des reinigenden Blickes auf die Blutzeugen, die die Wahrheit des Glaubens und der Liebe höher schätzten als ihr eigenes Leben. „Da uns eine solche Wolke von Zeugen umgibt, wollen auch wir alle Last und die Fesseln der Sünde abwerfen und mit Ausdauer in dem aufgetragenen Wettkampf laufen“ (Hebr 12, 1). Es war eine der großen Intuitionen des hl. Papstes Johannes Paul II., in der Vorbereitung auf das Heilige Jahr 2000 in seinem Schreiben „Tertio millenio adveniente“ (1994) alle Ortskirchen zu bitten, ihr eigenes dokumentarisches Martyrologium für das 20. Jahrhundert, das „Jahrhundert der Wölfe“ (Nadeshda Mandelstam), zusammenzustellen. Im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz hat der Kölner Prälat Professor Dr. Helmut Moll, Mitglied des Schülerkreises Joseph Ratzingers / Papst Benedikts XVI., sich der Mühe der Zusammenstellung und Herausgabe des zweibändigen Werkes unterzogen und 1999 die erste Auflage rechtzeitig vor dem Heiligen Jahr veröffentlichen können.

Aus seiner Feder stammt auch die ausführliche „Theologische Einführung“, die im Anschluss an die Päpste Benedikt XIV. (1740-1758), Paul VI. und Johannes Paul II. Aufnahmekriterien und Kategorien von Martyrern vorstellt. In kurzer Zeit erschienen weitere Auflagen des Doppelbandes und 2006 eine vierte ergänzte Auflage. Nun liegt kurz vor dem 75. Geburtstag des Herausgebers bereits die wiederum ergänzte und aktualisierte siebte Auflage vor, die weitere Namen von Martyrern (Moll schreibt nicht „Märtyrer“) dem repräsentativen und gewichtigen Werk eingliedert. Neben dem Herausgeber verbürgt vor allem der Eichstätter Historiker Heinz Hürten die Richtigkeit der neuen Biographien.
In Zusammenarbeit mit den Bistümern, den diözesanen Beauftragten und den Ordensgemeinschaften haben über 160 Fachleute die Lebensbilder von mehr als 1000 katholischen Martyrern und Martyrerinnen erarbeitet. Auch nicht-katholische Glaubenszeugen werden namentlich erwähnt, sofern sie in ökumenischen Gruppen tätig waren und dadurch den von Papst Johannes Paul II. erwähnten „Ökumenismus der Martyrer“ bezeugen. Für das Territorium der Deutschen Bischofskonferenz sowie unter Berücksichtigung der Deutschen im Ausland wurde nach sorgfältiger Prüfung eine Ausfächerung in vier Martyriums-Kategorien vorgenommen:
1. die Blutzeugen aus der Zeit des Nationalsozialismus (1933-1945); 2. die Blutzeugen aus der Zeit des Kommunismus (ab 1917); 3. die Reinheitsmartyrien („martyrium puritatis“) von Mädchen, Frauen, Ordensschwestern und ihren Beschützern; 4. die Blutzeugen aus den Missionsgebieten bis zur Jahrtausendwende. Jeder Beitrag ist, soweit verfügbar, mit einem Foto des betreffenden Martyrers versehen und enthält Quellen- und Literaturhinweise für eine vertiefte Beschäftigung mit seiner Person und seinem Leben. Als Titelbild des Buches wurde die Pietà von Professor Fritz Koenig in der Gedenkkirche „Maria Regina Martyrum“ (errichtet in Berlin-Charlottenburg unweit von Plötzensee 1960-1963) gewählt.
Das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhundert ist eine enzyklopädische Fundgrube für alle historisch und hagiographisch Interessierten. Es sollte allen Religionslehrern und Religionslehrerinnen zugänglich sein und in keiner Pfarrbibliothek fehlen. Leider geht die Geschichte der Gewalt gegen Menschen und Christen auch im 21.Jahrhundert weiter, besonders in den Ländern des Islam. Die Zeugen für Christus verweisen auf das „Haupt voll Blut und Wunden“, sind aber auch „Zeugen für die Wahrheit“, die leider oft sogar von Mitchristen vergessen oder gar verraten werden. Das „Opus magnum“ des Kölner Prälaten Helmut Moll kann bleibende Erinnerungen sichern und anbieten.
Stefan Hartmann
Moll, Helmut: Zeugen für Christus. Das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts, Ferdinand Schöningh 7. Auflage 2019, 1827 Seiten, € 99,99 ISBN: 9783506780126

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