Eine Welt zwar bist du, o Rom …

Das vorliegende Buch ist die Neuauflage einer im Jahre 1916 publizierten Abhandlung. Sie nimmt sich in Fragestellung und Methodik erstaunlich modern aus: stehen doch seit dem „spatial turn“ der Geistes- und Kulturwissenschaften Studien zur Urbanistik und Untersuchungen zum Geflecht von städtischen Lebenswelten und Sozialgefügen und ihr architektonisches und bildkünstlerisches Gepräge (jenseits einer Kunstgeschichtsschreibung, die „Meisterwerke“ eines genialen Künstlers losgelöst von ihrem sozialen und auftraggeberischen Kontext betrachtet) relativ hoch im Kurs.

Ludwig von Pastor, der dezidiert katholische Verfasser der berühmten Papstgeschichte als Antwort auf die preußisch-protestantische Historie eines Leopold von Ranke, hat mit seinem schmalen Werk „Die Stadt Rom zu Ende der Renaissance“ eine faszinierende Beschreibung der Ewigen Stadt aus dieser Epoche vorgelegt. Das Buch ist eine Antwort auf das Ende des Kirchenstaates im Jahre 1870 und den Modernisierungsschub, der naturgemäß mit dem Verlust vormoderner Bausubstanz einhergegangen ist – im faschistischen Italien sollte diese Modernisierung noch weiter fortschreiten: Wem fiele hierbei nicht die von Mussolini in Auftrag gegebene Via della Conciliazione ein?

Ludwig von Pastor nimmt den Leser mit auf eine Entdeckungsreise, schärft seinen Blick für die Bauten der römischen Renaissance, ihre spezifischen Charakteristika, ihre einfache, edle, schöne, luftig-halkyonische Formensprache, die sich von der selbstbewussten Monumentalität des Roms der Barockpäpste, wie sie die Bauten Berninis und Borrominis im 17. Jahrhundert verkörpern, erheblich unterscheidet. Der Herder-Verlag hat im Hinblick auf das Reformationsgedenken (2017) das Werk neu betitelt: „Die Stadt Rom zur Zeit der Reformation“. Damit haben die Herausgeber den konnotativen Schwerpunkt weg von der Antike und weg von der künstlerisch-ästhetischen Sichtweise verlegt, und zwar ins Historische und Theologische mit einem Stich ins Nordalpin-Protestantische. Ob dieses Verfahren (das der Kommentator auf den Seiten 15 und 16 seiner Einleitung auch zu rechtfertigen versucht) als gelungen zu bezeichnen ist, oder ob es nicht vielmehr ein Ausdruck jenes spezifisch deutsch-italienischen Missverständnisses ist, das laut Volker Reinhardt die Reformation erst ausgelöst hat, sei dahingestellt. Wahrscheinlich wollte man Ludwig von Pastor aus der Schmuddelecke des ultramontanen Kampfkatholizismus herausholen.

Der Romkenner freut sich an den Abbildungen und historischen Fotografien, die viele unbekannte und übersehene Details der Ewigen Stadt ins Bewusstsein rufen. Auch die zahlreichen zeitgenössischen Stiche und Zeichnungen (z. B. das Skizzenbuch des Marten van Heemskerck), mit denen ein Kunstgeschichtsstudent in Vorlesungen und Seminaren zur römischen Renaissance immer wieder konfrontiert (um nicht zu sagen: traktiert) wird, sind kompakt ein einem Band versammelt. Schon das Vorsatzblatt, das ein Panorama der Stadt Rom aus dem Jahre 1536 zeigt, ist eine würdige und einladende Begrüßung. Das Bildmaterial wird einfühlsam kommentiert. Der Herausgeber hat sich für ein ebenso einfaches wie überzeugendes Verfahren entschieden. Das Druckbild von Pastors Text ist schwarz, die Texte oder Bilder des Herausgebers werden in einem angenehmen Grünton abgedruckt.

Last but not least darf die bibliophile Aufmachung des Buches nicht unerwähnt bleiben. Es eignet sich vielleicht weniger zur fortlaufenden Lektüre, lässt aber auf jeder Seite eine untergegangene Welt lebendig werden.

Eugenius Lersch

Pastor, Ludwig von / Wallraf, Martin (Hg.): Die Stadt Rom zur Zeit der Reformation. Herder 2016, 207 Seiten, € 29,90 ISBN: 978-3451311413

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