Der Kaplan der Solidarnosc
Endlich liegt eine deutschsprachige Biografie des am 19. Oktober 1984 ermordeten mutigen Priestermärtyrers Jerzy Popieliszko vor. Die promovierte polnische Journalistin Anna Meetschen macht dies mit ihrem deutschen Ehemann Dr. Stefan Meetschen im Kisslegger Fe-Verlag, wo schon mehrere ihrer Heiligen-Biografien erschienen sind, möglich. Der bekannte Bonner Publizist Martin Lohmann verfasste ein Vorwort. Die polnische Sekundärliteratur wurde von Meetschen genau rezipiert.

Der damalige „Kaplan der Solidarnosc“ wurde am 14. September 1947, also am katholischen Fest der Kreuzerhöhung, im ostpolnischen Dorf Okopy geboren. Nach der Schulzeit, in der er seine Priesterberufung wegen des herrschenden Kommunismus verborgen halten musste, ging er ins Warschauer Priesterseminar, das günstiger als das Seminar in Bialystok war. Doch zuerst musste ein schwerer und die Seminaristen bewusst schikanierender zweijähriger Militärdienst abgeleistet werden. Trotz seiner schwachen Gesundheit konnte der tieffromme Seminarist diese Zeit überstehen und wurde am 28. Mai 1972 mit 30 Mitbrüdern vom polnischen Primas Stefan Kardinal Wyszynski in der Warschauer Johanneskathedrale zum Priester geweiht. Meetschen beschreibt einfühlsam die weiteren Stationen des ganz und gar nicht „klerikalistischen“ und sehr sensiblen jungen Priesters in Pfarreien, in der Akademikerseelsorge und bis zur Ankunft im Mai 1980 in der Hl.-Stanislaus-Kostka-Pfarrei. Öfter hatte er Gelegenheit, Verwandte in den USA zu besuchen, lehnte es aber ab, dort zu bleiben. Sehr bald fand er das Vertrauen der streikenden Arbeiter und der Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc. Nach dem Ausrufen des Kriegsrechts am 13. Dezember 1981 delegierte ihn sein Pfarrer zum Abhalten der „Messen für das Vaterland“, die immer größeren Zulauf erhielten und den Mächtigen ein Dorn im Auge waren. Popieluszko stand in großer Nähe zu Papst Johannes Paul II. und wollte wie er seine geliebte Heimat vom Joch des stalinistischen Kommunismus befreien. Dabei ging es ihm zuerst um Seelsorge für die Arbeiter und seine Gemeinde. Er war ein beliebter Beichtvater, der viele Bekehrungen auslöste.
Seine unmarxistische Befreiungstheologie drückte er so aus: „Es ist für mich als Priester sehr wichtig, sich nicht in die Politik hineinziehen zu lassen, denn das ist nicht meine Mission“ (67). Das System setzte Popieluszko mit seinem Sicherheitsdienst zu, er wurde ständig beschattet, predigte aber unerschrocken und trotzdem diplomatisch klug. Bezug war ihm oft die polnische Marienverehrung und vor allem das Kreuz: „Wir dürfen unser Leid und unser Kreuz immer mit Christus verbinden, weil der Prozess über ihn immer noch stattfindet“ (71). Meetschen schildert den dramatischen Verlauf über Ermittlungen, Verhöre, Verhaftung und schließlich Entführung bis zu seiner bis heute ungeklärten Ermordung an der Weichsel, wo man am 30. Oktober bei Wloclawek seine Leiche fand. Die Abschlusskapitel des bewegenden Buches beschreiben die Beerdigung, den Prozess von Thorn und die einsetzende Verehrung bis zur Seligsprechung in Warschau am 6. Juni 2010. Jerzy Popieluszko wird besonders als „Patron der sozialen Gerechtigkeit“ angerufen und verehrt. Zehn Jahre später wird 2020 am selben Ort und Tag der große „Primas des Jahrtausends“, Kardinal Stefan Wyszynski, seliggesprochen.
Stefan Hartmann
Meetschen Anna: Jerzy Popieluszko und das Wunder seines Lebens. Fe-medienverlag 2019, 125 Seiten, € 10,- ISBN: 9783863572297

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