Und Gott schuf die Angst
Burkhard Hofmann praktiziert als Psychotherapeut in Hamburg sowie am Persischen Golf und skizziert in seinem vorliegenden „Psychogramm der arabischen Seele“ ein konträres Islambild, das keineswegs mit den patriarchalen Macho-Mustern europäischer Klischees übereinstimmt. Ausgangspunkt der Schilderungen sind Hofmanns Berufserfahrungen im Umgang mit muslimischen Patienten der oberen Mittelschicht, die er durch anschauliche Falldarstellungen und Erörterungen im tiefenpsychologischen Bereich beleuchtet. Der Mediziner hält fest, dass sowohl religiöse Prägungen als auch traditionelle Familienbilder sowie ein unsicherer Umgang mit der eigenen Sexualität die Gespräche vieler muslimischer Patienten dominieren. Parallel zu den psychologischen Erörterungen mischt Hofmann soziologische Komponenten in nachdrücklicher Brisanz.

„Wenn es einen wesentlichen Unterschied zu den Therapien in Hamburg gibt, dann dieses Riesenmaß an Präsenz des Glaubens in den Sitzungen. Ständig verweisen die Patienten auf eine Stelle im Koran, in den Hadithen oder der Tradition. Dann stehe ich vor einer als allein gültig verkündeten Wahrheit, und der direkte Zugang zum Patienten ist futsch.“
In zehn Kapiteln thematisiert der Autor Paradiesvorstellungen, den „zugedröhnten Narzissmus“ und dessen strukturell-religiöse Zusammenhänge. Als ein Hauptproblem benennt Hofmann das „Nanny-Syndrom“, die „Unsichtbarkeit der Eltern“. In Folge des Ölbooms der 1960er-Jahren ist der anwachsende Reichtum und damit verbunden die Abwesenheit der Eltern zur Volkskrankheit geworden. Hier überschneidet sich der Kundenstamm in Havestehude und Bahrain. Hunderttausende Kindermädchen bevölkern seitdem die Arabische Halbinsel mit der Aufgabe, die unsichtbare „tote Mutter“ zu ersetzen. Hofmann zufolge ist die Verehrung und die Furcht der „übermächtigen“ leiblichen Mutter im Wort des Propheten verankert. Auch ein tadelloses Leben muss die Schranke der Mutter passieren: Ihr Wort an der Schwelle zur Ewigkeit öffnet erst die Paradiespforten. Aus ihrer leiblichen Abwesenheit zu Lebzeiten resultieren jedoch vielfältige psychische Auswirkungen auf die religiöse und soziologische Entwicklung des Kindes. Religion ist für Hofmann eine Art Psychopharmakon, das sich der Patient selbst verschreibt und wodurch er sich im religiösen Erwartungskorsett verfängt.
„Dies stellt die Frage nach dem Umgang mit dem eigenen muslimischen Bevölkerungsanteil und damit auch den Flüchtlingen. Wie sollen wir mit dem explizit Fremden umgehen? Toleranz trifft dort auf Schwierigkeiten, wo sie auf das Überlegenheitsgefühl des Gastes, des Flüchtlings, trifft. Dieses Überlegenheitsgefühl ist unverzichtbarer Bestandteil des Islams bei aller Freundlichkeit, die den anderen Buchreligionen entgegengebracht wird.“
Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur:
Hofmanns Analysen mögen zwar nicht wissenschaftlich fundierte Aussagen liefern, trotzdem sei er auf tiefere Schichten gestoßen, als manchem Journalisten oder Wissenschaftler je zugänglich sein werden, konstatiert Matthias Bertsch. Dieser betont, dass Hofmann nicht „den Muslim“ beschreibt, sondern den „konkreten Menschen“, der jedoch vom arabisch-muslimischen Erwartungskorsett umgeben ist. Innerhalb dieser kulturell-religiösen Prägung schwebt über der Religion eine sakrosankte Aura. Da Zweifel an Gott Tabu ist, fehle auch die Bereitschaft vieler Muslime zum säkularen Staatsbekenntnis. Für den Rezensenten liefern die Rückschlüsse des Autors wichtige Hinweise für die deutsche Gesellschaft, insofern der europäische Gotteszweifel der islamischen Glaubensgewissheit gegenübersteht. Hofmann liefert keine Antworten, wie ein Zusammenleben aussehen könnte, aber die Mahnung: „Wir sollten nicht versuchen, uns kompatibler zu geben, als wir sein können und vielleicht auch wollen.“
Rezensionsnotiz zur Jungen Freiheit:
Eine lohnenswerte Lektüre auch für psychologische Laien erkennt der Rezensent Siegfried Gerlich im vorliegenden Buch, das in aller Empathie ein „beklemmendes Bild arabischer Innenwelten“ zeichnet. Beeindruckt zeigt sich der Rezensent von den Zusammenhängen des islamischen Matriarchats und den Auswirkungen auf die fehlende Vateridentifizierung, woraus ein „infantiles Selbstbild“ und „narzisstische Wut“ erwachsen kann. Daraus erwache die verbreitete Gewaltneigung sowie eine überspielende „präpotente Hypervirilität“. Weit entfernt vom harten Ton eines Thilo Sarrazin legt dieser Band die kulturellen Wunden der arabischen Seele frei.
Florian Mayrhofer
Hofmann, Burkhard: Und Gott schuf die Angst. Ein Psychogramm der arabischen Seele, Droemer-Verlag 2018, 286 Seiten, € 19,99 ISBN: 9783426277560

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