
Katholischer Widerstand
“Etwa 1,7m groß, untersetzt, blonde Haare, längliches, schmales Gesicht, erweckt den Anschein eines biederen Geschäftsmannes. Trägt mit Vorliebe schwarzen Lodenmantel.” So lautet die steckbriefliche Beschreibung eines unbedachten Widerstandskämpfers und Mitglied des Kreisauer Kreises, des Jesuiten P. Augustin Rösch (1893-1961). Als Provinzial der Oberdeutschen Provinz unterstanden ihm neben den bekannten Freiheitskämpfern P. Rupert Mayer und P. Alfred Delp auch eine der ältesten Kulturzeitschriften Deutschlands, die “Stimmen der Zeit“. Dem hochdekorierten Leutnant des Ersten Weltkriegs attestierten Vorgesetzte feine Bildung, Bescheidenheit und von Vaterlandsliebe erfüllte Begeisterung, die spätestens ab dem Jahr 1933 auf eine harte Probe gestellt wurde.

Kurz nach seinen Abschlussexamen und dem Wirken als Hochschulseelsorger in Zürich übertrug ihm die Ordensleitung das Amt des Generalpräfekten am Jesuitenkolleg Stella Matutina in Feldkirch, dessen Schulbänke vorwiegend von deutschen Schülern gedrückt wurden. Im Reich spürte man erneut die Wehen der bischmarkschen Jesuitengesetze von 1872. Drei Jahre nach seiner Ordensprofess sollte die NSDAP ihre erste und einzige Koalition besiegeln. Erste Auswirkungen der Machtergreifung erblickte der Präfekt in der Korrumpierung etablierter Jugendbewegungen. Als die Schule schließlich „heim ins Reich“ geholt wurde und in St. Blasien ein neues Kolleg entstand, fiel auch das bis dato aufrechterhaltene HJ-Verbot in Schulen kirchlicher Trägerschaft. Eine Armada aus Animositäten und Missgunst schlug dem Provinzial nun entgegen: Mitbrüder wurden verhaftet, Schulen geschlossen und Kollegien enteignet. Bei den regelmäßigen Befragungen der Gestapo zierte demonstrativ das Eiserne Kreuz den Priesterrock. In Folge des Konkardatsbruchs musste sich der Verdun-Veteran die Frage gefallen lassen, ob der bellum iustum auch im aktiven Widerstand gegen das Regime erlaubt ist.
Martin Bormanns Klostersturm von 1941 und die Verbannung des feurigen Predigers P. Rupert Mayer ins abgelegene Kloster Ettal zeichneten den Weg der weiteren Kirchengeschichte unter Hitler vor: Kerkerhaft, Predigtverbot, Enteignung. P. Rösch gründete als Gegenmaßnahme den “Ausschuss für Ordensangelegenheiten” und insistierte zusammen mit dem Löwen von Münster, keine höheren Mauern des Schweigens zu errichten. Die resignierenden Bischöfe sollten mehr riskieren, lautete seine Devise, wobei die zentrale Frage offen blieb, wann die Stunde für eine überlegte Opposition hereinbrechen sollte. Das Damoklesschwert der Kirche Spaniens hing über beiderlei Konfessionen. Auch der “Dekalog-Hirtenbrief” von 1943 offenbarte die löchrige Phalanx im deutsch-österreichischen Episkopat, sodass P. Rösch nun entschlossen den Kontakt mit bürgerlichen Widerstandskreisen suchte.
Im “Kreisauer Kreis” fand sich ein konspirativer Treffpunkt. Tragende Mitglieder hatten ohnehin eine Vergangenheit in den jesuitischen Jugendbewegungen. Als Anwälte der Menschenrechte befassten sich dort Helmuth James Graf von Moltke und Peter Graf Yorck von Wartenburg und weitere Gesinnungsgenossen mit Plänen zur politisch-gesellschaftlichen Reorganisation nach dem erhofften Zusammenbruch der Regimes. Die Mitte 1942 ausgearbeiteten “Grundsätze für die Neuordnung” sahen einen europäischen Bundesstaat auf Basis christlicher Wertordnung vor. Zwei Jesuiten – Alfred Delp und Lothar König – führte er dieser Gruppe zu, mit der auch Dietrich Bonhoeffer Kontakt pflegte.
Die Verhöre im Gefolge des 20. Juli 1944 demaskierten schließlich den überkonfessionellen und zivil weitverzweigten Kreis. P. Delp wurde verhaftet, die beiden anderen Jesuiten wurden steckbrieflich gesucht, bis zum Verrat aus den eigenen Reihen sollte P. Rösch aber unerkannt bleiben. Als sich die Front bereits auf 800m an seine Gefängniszelle genähert hatte, öffnete sich nicht der Pistolenhalfter, sondern eine Gefängnistür. Die wiedergewonnene Freiheit nützte der stärkste Mann des Katholizismus in Deutschland, so vatikanische Stimmen, als bayerisches Senatsmitglied und Landescaritasdirektor. Bis zu seinem Tod am 7. November 1961 schien es dem unblutige Märtyrer noch verfrüht, den geistigen Widerstand medienwirksam zu veröffentlichen. Allein in seinem autobiographischen Nachruf wird er darauf eingehen.
Alfred Wolfsteiner, Bibliothekar und Historiker der oberpfälzischen Geschichte, zeichnet in seinem leicht lesbaren Büchlein die Geschichte eines Protagonisten des kirchlichen Widerstandes überzeugend nach. Der 125. Geburtstag P. Röschs ist dafür ein gebührender Anlass. Offen bleibt, warum auch bei Direktzitaten kaum Fußnoten gesetzt wurden, obwohl das Buch mit einer Literaturauswahl schließt. Schockenhoffs “Entschiedenheit und Widerstand” (2015) würde in diesem Kontext die spirituelle bzw. ekklesiologische Komponente beleuchten. Zeitgenössische Fotographien und prägnante Kolumnen mit Zusatzinformationen runden dieses Werk ab.
Stefan Bergmann
Wolfensteiner, Alfred: „Der stärkste Mann des Katholizismus in Deutschland“. Pater Augustin Rösch und sein Kampf gegen den Nationalsozialismus, Pustet Verlag 2018, 120 Seiten, € 13,- ISBN: 978-3791729794

