Blick hinter die Kulissen
Der Mediziner und Theologe Univ. Prof. Johannes Huber, derzeit Bestsellerautor in Österreich, lädt mit „Der holistische Mensch – Wir sind mehr als die Summe unserer Organe“ zu einer ganzheitlichen Sicht auf die Dinge und zu einem anderen Denken ein. Forschungen geben einen Hinweis auf den körperliche und seelisch-geistige Zusammenhänge. Auf der Grundlage von Quantenphysik, Epigenetik und moderner Medizin, also noch sehr jungen Forschungsfeldern, präsentiert Huber ein holistisches Menschenbild, das die Forschung erst allmählich zu verstehen lernt.

Der langjährige Abteilungsleiter an der Universitätsklinik für gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin im Wiener AKH zeigt anhand von Vorgängen wie Schwangerschaft und Geburt bisher unbekannte Verbindungen auf und gibt damit gleichzeitig einen tiefen Einblick in die Materie Mensch. Die Medizin lernt im Stundentakt, dass der Körper mehr ist als die Summe seiner Organe und dass es eine Information gibt, die „hinter die Kulissen“ schauen lässt. „Wie umfassend die Gesamtheit ist, schleicht sich nur sehr langsam ins Bewusstseins. Selbst unter Ärzten.“ (153f.)
Gehirn, Knochen, Leber, Gebärmutter und Herz, verschiedenste Organe stehen in bisher ungeahnter Weise miteinander in Verbindung. Ein interessantes Beispiel dafür, wie vorausschauend verwoben Vorbereitungen im Körper getroffen werden, ist die Produktion der Muttermilch. „Das Geschlecht ist nämlich schon in der Schwangerschaft in der Lage, die Kalziumkonzentration zu bestimmen, die erst nach der Geburt gebraucht wird.“ (214) Mädchen werden mit einer Milch gestillt, die kalziumhaltiger ist. Der Zusammenhang von Knochen und Bauchspeichdeldrüse entsteht durch ein Hormon, das einerseits für den Knochenaufbau und andererseits für die Bildung von Insulin zuständig ist. Mit diesem Wissen präsentiert der Autorneueste Erkenntnisse für die Verbindungen von Krankheiten, wie in diesem Fall von Osteoporose und Diabetes. „Das ist neu und spricht für eine Verschränkung, die aber nicht nur unseren Körper betrifft, sondern auch unsere Umwelt.“ Die Zusammenhänge von verschiedenen Organgen und Prozessen im Körper sind wechselseitig und müssen viel ernster genommen werden. Auch lässt sich nicht bezweifeln, dass in besonderer Weise neue Quellen und Wege der Heilung gefunden werden könnten.
Angesichts der vielen Spezial- und Einzelwissenschaften sei die Notwendigkeit, den Menschen als Ganzen zu verstehen, zu einer neuen Aufgabe geworden ist. Dabei hilft die Kombination von Holistik und Christentum. Nicht zu kurz kommt deswegen auch nicht die Beschreibung verschiedener Theorien, die erklären wollen, warum es Religion gibt. So werden etwaige Fehlinterpretationen eingeordnet: „Dass Jenseitiges eben nur in menschlicher Weise mitgeteilt werden kann, verleitet oft zu einer anderen Hypothese: nämlich dass dieses Jenseitige von menschlichen Geist erfunden wurde. Die Gegenthese lautet: Das Jenseitige hat sich des menschlichen Geistes, seiner Geschichte und seiner Gesetze bedient, um sich vorstellbar zu machen.“ (193)
Und das macht das Buch zu einem ganz besonderen: Hubers Schilderungen enthalten nicht nur wissenschaftlich Abgesichertes. Gerade deswegen ermöglichen sie einen Blick auf die wissenschaftlich nicht greifbare Komplexität des Daseins, die solange als Glaube wertgeschätzt oder beiseite geschoben wird. Ein faszinierendes Buch, das zum kritischen Weiterdenken anregt.
Michaela Starosciak
Huber, Johannes: Der holistische Mensch. Wir sind mehr als die Summe unserer Organe, Verlag edition a 2017, 335 Seiten, € 24,90 ISBN: 9783990012307

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