Praktisches Kirchenrecht

Für den Kanonisten reicht es nicht, das katholische Kirchenrecht ausführlich zu studieren, er muss das Gelernte auch in der täglichen Praxis anwenden können. Nicht umsonst werden in der Kirchenrechtsausbildung nicht nur Vorlesungen gehalten, sondern auch Übungen durchgeführt, welche diese Fähigkeit vermitteln sollen. Hierzu fehlte im deutschsprachigen Raum bislang jedoch eine praxisorientierte Publikation. Das vorliegende Werk schließt diese Lücke, indem es den Leser anhand von 33 auf realen Fällen beruhenden Beispielen Schritt für Schritt zur Lösung eines jeden Falles führt.

Den beiden Autoren kommt zugute, dass sie in Lehre und Praxis reichliche Erfahrung sammeln konnten. Burkhard Josef Berkmann ist Professor für Kirchenrecht an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, Marcus Nelles ist Ehebandverteidiger am Erzbischöflichen Konsistorium und Metropolitangericht München. Durch die von ihnen ausgesuchten Fälle wird ein weites Spektrum von verschiedenen Fallkonstellationen aus fast allen Bereichen des Kirchenrechts abgedeckt. Grundrechte, Verwaltungsakte, Vermögensrecht, Pfarreien und Vereine werden ebenso tangiert wie das Ordens-, Straf- und Prozessrecht, doch liegt der Schwerpunkt gemäß der praktischen Relevanz beim Eherecht, gefolgt von den „Allgemeinen Normen“ und dem Verwaltungsrecht. Dabei spielen auch aktuelle Themen, wie die Entlassung aus dem Klerikerstand, die Zusammenlegung von Pfarreien oder religionsverschiedene Ehen zwischen Christen und Muslimen, eine Rolle. Ebenso werden ungewöhnlichere Fälle, wie zum Beispiel der Wechsel eines Gläubigen in eine andere Kirche sui iuris oder der Schutz der Intimsphäre nach Can. 220, thematisiert. Die Fokussierung des Buches auf den CIC von 1983 lässt allerdings die entsprechenden Normen des CCEO nur am Rande aufscheinen.

Hervorzuheben sind die präzisen Einführungen, welche immer wieder einzelnen Kapiteln vorangestellt sind. So wird zu Beginn des Buches erklärt, wie man den klassischen Syllogismus des Aristoteles, bestehend aus Obersatz, Untersatz und Konklusion, auf die rechtliche Lösung eines Falles anzuwenden hat. Nach dieser Methode werden alle dargebotenen Fälle im Buch besprochen, so dass der Leser sich leicht anhand dieser Struktur durch die teilweise doch recht komplizierten Fälle arbeiten kann und dabei nicht den Überblick verliert. Nach der Darstellung des Sachverhalts folgt die zu berücksichtigende Rechtslage mit kurzen Erklärungen der Autoren. Daraufhin wird in der Konklusion beides miteinander verwoben und so die Lösung des Falls präsentiert. Zum Schluss folgen weitere Anmerkungen der Autoren, in denen meist auf den realen Fall, welcher dem dargebotenen Fall zugrunde lag, eingegangen und die vorgenommenen Modifikationen erläutert werden. Nützliche Grafiken und Schemata ergänzen einzelne Falllösungen.

Des Weiteren gibt es jeweils eine Einführung zu den Grundrechten und eine zum Strafrecht, welche dem Leser helfen, die folgenden Fälle richtig einzuordnen und zu bearbeiten. Das Übungsbuch wird am Ende noch durch ein alphabetisch geordnetes Themenregister sowie durch ein Register der relevanten Kanones ergänzt, so dass beim Nachschlagen rasch ein gesuchtes Beispiel gefunden werden kann.

Das Buch ist eine hilfreiche und willkommene Ergänzung sowohl für die in Ausbildung befindlichen Kanonisten als auch für die in Rechtsprechung und Verwaltung der katholischen Kirche tätigen Mitarbeiter. Durch die breite Streuung der behandelten Fälle kann sicher auch der versierte Leser die eine oder andere neue Erkenntnis aus der Lektüre mitnehmen.

Diego Lopez

Berkmann, Burkhard Josef / Nelles, Marcus: Fälle zum katholischen Kirchenrecht. Übungsbeispiele mit Lösungen, Kohlhammer 2019, 195 Seiten, € 29,- ISBN: 9783170361669

Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

One Comment

  • Joachim Hussing

    Mein Onkel hat mich letztens zum Thema Kirchenrecht etwas gefragt, aber ich wusste darüber nichts. Deswegen bin ich echt froh, dass ich diesen Beitrag gefunden habe. Nächstes Mal, wenn ich ihn sehe, kann ich ihm erzählen, was ich hier gelesen habe.

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