Das größte Gnadengeschenk der göttlichen Welt
Der christliche Satiriker, Polemiker und Kulturphilosoph Theodor Haecker (1879-1945) begann seinen Essay „Über Humor und Satire“ (Brenner 1928) mit dem Satz: „Der letzte, weiteste und höchste geistige Raum des Humanen ist der Humor“. Für den zeitweiligen Bamberger Theaterdirektor E. T.A. Hoffmann ist er mehr noch „das größte Gnadengeschenk der göttlichen Welt an den bedrängten Menschen“. So war dem Wahl-Bamberger aus dem Rheinland das neue Jesus-Buch von Klaus Berger über den „Humor Jesu“ eine passende geistlich-theologische Lektüre an Fasching/Karneval 2019. Manche Kleriker bemühen sich an diesen Tagen um besondere Fröhlichkeit, die Gläubigen müssen mehr oder weniger gelungene Reim-Predigten und Narrennasen ertragen. Während Indianer- und Negerköstüme schon als Rassismus gelten, boomt es an zweideutigen Verkleidungen als Priester, Bischof, Mönch oder Ordensschwester. Jesu von Berger in dreizehn Kapiteln beschriebener Humor ist dagegen zeitunabhängig und frei von Selbstdarstellung.

Der Sohn Marias aus Galiläa übertreibt, spitzt zu und fürchtet sich vor nichts, keiner Familienregel, keiner religiösen Gewohnheit und auch keinem Tod. Er benutzt Posse, Provokation und ätzenden Spott, sein Humor ist von „weltgeschichtlicher Relevanz“ (87). Unter ihm kann (bis auf sein Leiden und Sterben) das kurze Leben und intensive Wirken des humorvoll predigenden „Fressers und Weinsäufers“ (49 nach Mt 11,19) gesehen werden: „Jesu Verkündigung ist der Versuch, der Welt Frieden und Heil zu bringen durch radikale und totale Umkehr aller Werte, angefangen vom Gottesbild. Jesus stellt alle Maßstäbe der Menschen buchstäblich auf den Kopf“ (80). Das Kind und die Kinder sind Maßstab, nicht historische Größe oder Reichtum. Ein Kamel geht eher durch das schmale Nadelöhr-Tor als ein Reicher in das Gottesreich. Scherflein der Witwe, Abreißen von Gliedern, absolute Sorglosigkeit im Vertrauen auf Gott, Entmythologisierung des Todes und vieles mehr sind nur als ein aus der Bekräftigung des Ersten Gebotes (15) folgender Humor verstehbar. Für Wunder genügt ein Wortbefehl (106), für Vergebung „ein bisschen Liebe“ (112 im Anschluss an Lk 7, 36-47). Dämonen werden in aramäischer Sprache ausgetrieben (107), woher sich dem Rezensenten der erfahrene Segen des seit drei Jahren mit seiner Frau allmorgendlich zuerst in aramäisch gebeteten Vaterunsers erklärt. Das „Ungehörige“ wird humorig gelobt (127-134), Jesus war dabei kein ideologischer Fanatiker, kein witziger „Spaßvogel“ und bei aller Tierliebe und Milieu-Nähe auch kein an Diogenes Maß nehmender jüdischer „Kyniker“, wie Berger in einem sehr gelehrten Kapitel und in klarer Absetzung von Bernhard Langs verwirrendem Buch „Jesus der Hund“ (München 2010) nachweist (186-195). Die Tiere, vom Kamel über Schafe und Hunde, Schweine, Vögel, bis zur listigen Schlange, zu Wanzen und Fischen, spielen eine Rolle in der Bilderwelt Jesu (160-176), allein die Arglosigkeit der Tauben (Mt 10,16) scheint Berger im jesuanischen Zoo übersehen zu haben. Zynismus und Häme waren nicht Teil von Jesu Humor. Als Liebhaber von Feiern, Festen und Hochzeiten hat er gewiss selbst gelacht (12), auch wenn das wörtlich nur die Apokryphen als Distanzierung von falscher Feierlichkeit berichten (177-185). Die Übersetzung „Das Neue Testament und frühchristliche Schriften“, die Berger mit seiner Frau Christiane Nord 1999 im Insel-Verlag erstmals vorlegte, ist dazu eine unverzichtbare Lesehilfe.
Klaus Berger jongliert spielerisch mit Bildern und Vergleichen, ist selbst ein Schriftgelehrter mit Humor und hat ein Jesus-Buch geschrieben, das kurzweilig und oft erheiternd ist: „Die in diesem Buch zusammengestellten Worte und Taten Jesu sind ein eigener und eigenständiger Zugang zu Jesus. Jedenfalls ist es mir so ergangen. Weder Exegese noch Dogmatik hatten mich so an Jesus heranführen können. Oft will es mir scheinen, als stünde ich beim Nachdenken über diese Notizen und Berichte Jesus ganz neu als Mitmensch, Freund oder, mit Verlaub gesagt, Kollegen direkt gegenüber“ (129). Die Lektüre in der Fastenzeit könnte gefährlich sein, Autor, Verlag und Rezensent hätten jedoch keine Einwände.
Stefan Hartmann
Berger, Klaus: Ein Kamel durchs Nadelöhr? Der Humor Jesu, Herder 2019, 208 Seiten, € 22,- ISBN: 978-3451383304

